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Die Widerrufsbelehrung und die gezogenen Nutzungen

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Eine Widerrufsbelehrung, die den Verbraucher bei einem Haustürgeschäft nicht über die gegenseitige Pflicht zur Herausgabe gezogener Nutzungen belehrt, genügt nicht den Anforderungen des § 312 Abs. 2 BGB an eine Belehrung über die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB.

Entbehrlich ist eine Belehrung über die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB nur dann, wenn der Eintritt dieser Rechtsfolgen nach der konkreten Vertragsgestaltung tatsächlich ausgeschlossen ist.

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof in einem Fall, auf den das Bürgerliche Gesetzbuch und die BGB-Informationspflichten-Verordnung noch in der bis zum 11. Juni 2010 geltenden Fassung Anwendung fanden (Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB). Gemäß § 16 BGB-InfoV ist damit für die Beurteilung der erteilten Widerrufsbelehrung das bis zum 31. März 2008 geltende Muster für die Belehrung über das Widerrufsrecht maßgebend.

Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass die Formulierung „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ den Verbraucher über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist nicht richtig belehrt, weil sie nicht um-fassend ist. Der Verbraucher kann der Verwendung des Wortes „frühestens“ zwar entnehmen, dass der Beginn des Fristlaufs noch von weiteren Voraussetzungen abhängt, wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, um welche Voraussetzungen es sich dabei handelt. Das gilt auch im vorliegenden Fall.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Januar 2009 nichts anderes. Diese Entscheidung betraf eine Widerrufsbelehrung mit einem – hier nicht verwendeten – Zusatz über den hinausgeschobenen Beginn der Widerrufsfrist („jedoch nicht bevor ….“).

Hinzu kommt, dass die im hier entschiedenen Fall erteilte Belehrung hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist nicht nur unvollständig, sondern auch irreführend ist. Denn nach der Widerrufsbelehrung kommt ein anderer Anknüpfungspunkt als der Erhalt der Belehrung für den Fristbeginn durchaus in Betracht. Nach dem ersten Satz der Belehrung sollte der Widerruf nämlich nicht nur in Textform, sondern auch durch „Rücksendung der Ware“ erfolgen können; dementsprechend heißt es im dritten Satz der Belehrung, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerrufs „oder der Ware“ genüge. Aufgrund dieser weiteren Hinweise legt die Formulierung über den Fristbeginn im zweiten Satz der Belehrung für den Verbraucher das Missverständnis nahe, dass die Widerrufsfrist zwar „frühestens“ mit Erhalt der Belehrung beginne, möglicherweise aber auch erst mit Lieferung der Ware, im vorliegenden Fall also der Küchenmöbel. Auf die Lieferung der Ware kommt es jedoch für den Fristbeginn bei dem hier vorliegenden Haustürgeschäft (§ 312 BGB) – anders als bei einem Fernabsatzvertrag (§ 312d Abs. 2 BGB) – gemäß § 355 Abs. 2 BGB nicht an.

Auch hinsichtlich der Widerrufsfolgen ist die hier im entschiedenen Fall erteilte Belehrung unzureichend. Sie enthält entgegen § 312 Abs. 2 BGB nur einen un-vollständigen Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 BGB. Es fehlt, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, die Belehrung über die gegensei-tige Pflicht zur Herausgabe gezogener Nutzungen (§ 357 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB), zum Beispiel von Zinsen auf den gezahlten Kaufpreis oder eine geleistete Anzahlung. Ein solcher Hinweis war nicht deshalb entbehrlich, weil nach der konkreten Vertragsgestaltung, wie das Berufungsgericht gemeint hat, alle Leistungen – auch die Anzahlung seitens des Beklagten – erst nach Ablauf der Widerrufsfrist zu erbringen gewesen wären und deshalb eine Her-ausgabe von Nutzungen nicht habe in Betracht kommen können. Letzteres trifft nicht zu.

Zum einen war der Käufer berechtigt, die Anzahlung bereits vor dem festgelegten Fälligkeitstermin und damit auch vor Ablauf der Widerrufsfrist zu entrichten. Dies ergibt sich nicht nur aus § 271 Abs. 2 BGB, sondern auch aus der Formulierung im Bestellformular („bis zum 15. Februar 2008″). Ob ein solches Verhalten des Käufers nahelag, ist unerheblich.

Zum anderen kommt es nicht darauf an, ob vertragliche Leistungen nach der vom Verkäufer beabsichtigten Vertragsgestaltung vor Ablauf der Widerrufsfrist ausgeschlossen sein sollten, sondern ob sie nach der tatsächlichen Vertragsgestaltung auch ausgeschlossen waren. Das war hier nicht nur im Hinblick auf die Anzahlung des Beklagten nicht der Fall, sondern auch hinsichtlich der weiteren Leistungen, die nach dem Vertrag geschuldet waren. Denn da es, wie ausgeführt, schon an einer gesetzmäßigen Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist fehlte, hätte der Käufer den Widerruf auch noch nach beiderseitiger Erfüllung des Vertrages erklären können. Eine vollständige Belehrung über die Widerrufsfolgen war deshalb nicht entbehrlich. Im Übrigen geht die vom Verkäufer verwendete Widerrufsbelehrung selbst davon aus, dass ein Leistungsaustausch vor Ablauf der Widerrufsfrist in Betracht kam; andernfalls hätte es nicht des in der Belehrung enthaltenen Hinweises bedurft, dass im Falle eines wirksamen Widerrufs bereits empfangene Leistungen zurückzugewähren sind.

Die Widerrufsfrist hat auch nicht jedenfalls deshalb mit der Bestellung zu laufen begonnen habe, weil die im Bestellformular enthaltene Belehrung dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung entsprochen habe.

Eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV und das Muster der An-lage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung ist dem Verkäufer verwehrt, weil er gegenüber dem Käufer für die Widerrufsbelehrung kein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung vollständig entspricht. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Auffassung zutrifft, dass das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung vom 2. Dezember 2004 nichtig sei, weil die damalige Fassung der Musterbelehrung den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht entsprochen habe.

Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV genügt die Belehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt wird. Dafür reicht es nicht aus, dass die von der Klägerin verwendete Belehrung hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist mit der entsprechenden Formulierung in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung des Musters für die Widerrufsbelehrung in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV übereinstimmt. Auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV könnte sich der Verkäufer nur berufen, wenn er gegenüber dem Käufer ein Formular verwendet hätte, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung vollständig entsprochen hätte. Das ist nicht der Fall. Die Widerrufsbelehrung im Bestellformular des Verkäufers entspricht vorliegend nicht dem Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 gelten-den Fassung. Denn auf die Widerrufsfolgen wird nur unvollständig hingewiesen. Die damalige Musterbelehrung schreibt hinsichtlich der Widerrufsfolgen den in der Belehrung der Klägerin fehlenden Hinweis vor, dass im Falle eines wirksamen Widerrufs auch „ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben“ sind. Dieser Hinweis entfällt nach dem Gestaltungshinweis 5 der Musterbeleh-rung (nur) „bei Widerrufsrechten nach § 485 Abs. 1 BGB“. Diese Ausnahme ist hier nicht einschlägig.

Der Verkäufer kann sich auch nicht auf den Gestaltungshinweis 4 der Musterbelehrung berufen. Danach kann der Absatz über die Widerrufsfolgen ganz entfallen, wenn die beiderseitigen Leistungen erst nach Ablauf der Widerrufsfrist erbracht werden oder aus anderen Gründen eine Rückabwicklung nicht in Betracht kommt. Dieser Gestaltungshinweis greift hier nicht ein, weil er unter bestimmten Voraussetzungen zwar einen vollständigen Verzicht auf eine Belehrung über die Widerrufsfolgen gestattet, nicht aber eine – wie im Bestellformular der Klägerin geschehen – unvollständige Belehrung.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. Februar 2011 – VIII ZR 103/10


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